Strafrechtlich verfolgt zu werden ist für viele kaum vorstellbar. Doch nach unserer Erfahrung kann es wirklich jeden treffen.
Damit wir alle auf demselben Stand sind, kurz wofür der erweiterte
Strafrechtsschutz überhaupt da ist. Der private Rechtsschutz enthält
immer bereits auch Schutz für fahrlässig begangene Straftaten oder
Ordnungswidrigkeiten. Vorsatzdelikte sind ausdrücklich ausgeschlossen.
Erst durch den erweiterten Strafrechtsschutz werden diese (je nach
Versicherer mit mehr oder weniger Ausnahmen) wieder eingeschlossen. Der
Rechtsschutzvertrag übernimmt dann die Kosten der Verteidigung. Kommt es
aber zu einer rechtskräftigen Verurteilung, müssen die Auslagen des
Versicherers zurückgezahlt werden. Wird das Verfahren gegen Auflage
eingestellt (§ 153a StGB – „Helmut-Kohl-Paragraph“), verzichten die Versicherer übrigens auf die Rückforderung.
Vor allem im Umgang mit Menschen droht Gefahr!
Im beruflichen Alltag vieler Menschen lauern Chancen, in ein
Strafverfahren zu stolpern. Hier ein paar Beispiele, die uns spontan
einfielen.
Kranken- oder Altenpflege:
- Nachtschicht im Altenpflegeheim. Ein Pfleger richtet die Medikamente
für die Frühschicht. Dabei übersieht er, dass für einen Patienten aus
Kostengründen Tabletten geordert wurden, bei denen der Wirkstoff das
doppelte der verschriebenen Medikamentierung entspricht. Die Tabletten
müssten vor Verabreichung also halbiert werden, was aber überbleibt.
Aufgrund der Übermedikamentierung kommt es beim Patienten zu weiteren
gesundheitlichen Problemen. Als die Ursache klar wird, erstatten die
Angehörigen Anzeige wegen vorsätzlicher Körperverletzung, da unterstellt
wird, dass persönliche Unsympathie zwischen Pfleger und Patient Grund
für die Übermedikamentierung war.
- Eine Patientin fällt nachts aus dem Bett und trägt Blutergüsse vom
Sturz davon. Damit sich das nicht wiederholt, bringt das
Nachschichtpersonal ohne ärztliche Anordnung Bettgitter an. Beim
überraschenden Frühbesuch der Angehörigen sind diese entsetzt und
erstatten Anzeige wegen Freiheitsberaubung.
- Eine Patientin im Altenpflegeheim möchte wieder nach Hause zu ihrer
Familie, was aufgrund des Pflegegrads aber nicht möglich ist. Sie
berichtet ihren Kindern bei Besuchen also frei erfundene
Horrorgeschichten darüber, wie sie im Heim behandelt wird. Die Kinder
erstatten Anzeige wegen Misshandlung Schutzbefohlener.
Polizei/Zoll:
- Bei einer Großdemonstration fallen Randalierer und Steinewerfer
negativ auf. Zwei Polizisten müssen zur Überwältigung einer dieser
Personen ein höheres Maß an Kraft anwenden, wodurch die Person
Hautabschürfungen und eine Zerrung der Schulter davonträgt. Sie werden
wegen vorsätzlicher Körperverletzung angezeigt.
- Bei einer Fahrzeugkontrolle werden 50 Gramm Kokain sichergestellt
und in der Asservatenkammer verwart. Als zur Verhandlung erneut gewogen
wird, fehlen fünf Gramm. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen alle
beteiligten Beamten.
Einzelhandel:
- In einem Onlineshop wird etwas bestellt und auch gleich per PayPal
bezahlt. Aufgrund von Lieferschwierigkeiten passiert vier Wochen lang
gar nichts. Der Kunde kennt den Käuferschutz bei PayPal nicht und zeigt
den Onlineshop-Betreiber wegen Betrugs an.
Und so könnten wir quer durch die meisten Branchen munter
weitermachen, aber das würde den Rahmen sprengen. Wichtig evtl. noch: In
Deutschland können Firmen nicht strafrechtlich verfolgt werden. Es muss
immer ein Mensch gefunden werden, der die Verantwortung trug. Und: Je
dichter am Menschen jemand arbeitet, desto gefährdeter ist er.
Aber auch im privaten Leben lauert die Gefahr eine strafrechtlichen Verfolgung:
- Ein Nachbar, der schon seit Jahren mit Ihnen Streit sucht, zeigt Sie wegen Beleidigung an.
- Auf der Autobahn fahren Sie jemanden etwas zu dicht auf und werden wegen Nötigung im Straßenverkehr angezeigt.
- In einem sozialen Netzwerk befreunden Sie sich mit einer fremden
Person. Mit der Zeit werden die Unterhaltungen immer intimer. Doch dann
zeigt Sie diese Person wegen sexueller Belästigung an.
- In Ihrer Steuererklärung vergessen Sie den Gewinn aus einem privaten
Verkauf anzugeben. Darauf folgt eine Anzeige wegen Steuerhinterziehung.
Beim Rechtsschutz gilt: Mehr ist einfach mehr! Da niemand vorhersehen
kann, was einem zustößt, ist es gefährlich, sich seinen
Rechtsschutzvertrag nur nach „vorstellbaren Szenarien“ zusammenzustellen
– auch weil es für juristische Laien mitunter auch gar nicht
zweifelsfrei zugeordnet werden kann, in welches Rechtsgebiet so ein
Szenario einzuordnen wäre. Wie eingangs erwähnt können sich die
wenigsten Menschen vorstellen, sich einmal strafrechtlich verteidigen
lassen zu müssen. Daher sollten unserer Meinung nach jeder diesen
Baustein in seiner Rechtsschutzversicherung haben – und nicht nur bei
Beamten, deren Beamteneignung bei Verurteilung mitunter auf dem Spiel
stehen kann.